Ein Auszug aus dem Editorial von Andreas Galling-Stiehler, Elisabeth von Haebler, Jürgen Schulz und Ilja Wehrenfennig:

»Wir befinden uns im Krieg, einem Gesundheitskrieg. Wir kämpfen weder gegen eine andere Armee noch eine andere Nation, aber der Feind ist da: unsichtbar und schwer fassbar. (…) Wir führen Krieg« – die Kriegserklärung eines französischen Präsidenten gegenüber einem Virus wirft Fragen auf. Bereits aus immunologischer Sicht argumentiert der Präsident antiquiert. »Von Viren können wir ebenso wenig geheilt werden, wie man uns vom Stirnlappen unseres Gehirns befreien kann: Wir sind unsere eigenen Viren«, erläutert die Biologin Lynn Margulis. Auch wenn die Idee des Kampfes Mensch gegen Virus damit so irrsinnig erscheint wie der Kampf Mensch gegen Mensch sind Kriege wieder angesagt. Die Differenz zwischen Selbst und Nicht-Selbst wird als politische Unterscheidung zwischen Freund und Feind praktiziert.

Avanciert Krieg zu einem Modus politischer Kommunikation? Seine Begriffswelt präsentiert sich harmlos metaphorisch – »Wahlkämpfe mit verhärteten Fronten«, so klingt es dann. US-Präsidenten erklären den »War on Poverty« oder den »War on Drugs«. Wirkmächtiger aber tritt Krieg dort in Erscheinung, wo er Funktionssysteme und Programme unseres Gemeinwesens berührt, die er als spezifischen Modus politischer Kommunikation reformiert. Im »Krieg gegen das Virus« beispielsweise gibt es keine Gegner:innen, die man öffentlich zwingen könnte, und doch geht es dabei um mehr als eine Metapher. Davon zeugen die Stärkung der Exekutive, die Umstellung der Wirtschaftspolitik, tägliche Lageberichte und die Einschwörung der Zivilbevölkerung auf eine moderne Spielart der Heimatfront. Was aber bedeutet es uns, wenn dieser Modus politischer Kommunikation in einer postheroischen Gesellschaft den Verteidigungsfall zum Normallfall macht? Und was geschieht dagegen, wenn die Feindmarkierung gänzlich ausfällt und Issues den Krieg nicht mehr zu begründen vermögen? Wohin mit dem Kriegsfall? Wohin, wenn der vergessene Krieg wieder real wird?

Krieg war immer schon eine ästhetische Herausforderung. Das Spektrum reicht von heroischen, bisweilen kriegsverherrlichenden, über topographisch-analytische Darstellungen bis zu Sujets, die das Grauen des Kriegs für immer vergegenwärtigen. Der ästhetische und kommunikative Zugriff von War on Issues ist ein anderer.

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